Bei Zweifeln an Ihrer Dienstfähigkeit sind Sie verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Ob die Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit gerichtlich isoliert angreifbar ist oder nur inzidenter im Rahmen der Klage oder des Eilrechtsschutzes gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung, ist in der Rechtsprechung umstritten. Welche formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Untersuchungsanordnung zu stellen sind, hängt davon ab, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Anordnung getroffen wird.
Behördliche oder gerichtliche Anordnungen zur ärztlichen Untersuchung
Rechtscharakter einer Untersuchungsanordnung | Rechtsschutz
Bestehen Zweifel an Ihrer Dienstfähigkeit, sind diese von der Behörde im Interesse der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung aufzuklären. Dazu sind Sie nach § 44 Abs. 6 BBG bzw. § 36 Abs. 1 HBG verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen.
Erhalten Sie eine Anordnung, sich zur Klärung der Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen (§ 44 Abs. 6 BBG bzw. § 36 Abs. 1 HBG), ist dies kein Verwaltungsakt,(1) da die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nicht die für einen Verwaltungsakt erforderliche unmittelbare Außenwirkung hat (§ 35 S. 1 VwVfG). Erst die Versetzung in den Ruhestand selbst betrifft Sie nicht nur als Amtsträger, sondern auch als Person und ist damit ein Verwaltungsakt.
Ob die Untersuchungsanordnung eine selbstständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a S. 2 VwGO ist, die selbstständig mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht zunächst offengelassen.(2) Mit Beschluss vom 14. März 2019(3) hat es schließlich entschieden, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar ist. Ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag ist unzulässig. Als Beamten steht Ihnen aber Rechtsschutz gegen eine nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung zu, sowohl in der Hauptsache als auch – wenn die Zurruhesetzungsverfügung sofort vollziehbar ist – vorläufig. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung wird die Untersuchungsanordnung inzidenter auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Erweist sich dabei die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, ist es auch die Zurruhesetzungsverfügung.(4)
Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts(5) steht in Widerspruch zu der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur, die davon ausgeht, dass gegen Untersuchungsanordnungen nach § 44 Abs. 6 BBG mit einstweiligem Rechtsschutz oder einer Leistungsklage isoliert vorgegangen werden kann; § 44a VwGO steht dem nicht entgegen.(6) Die Gerichte reagieren unterschiedlich auf die höchstrichterliche anderslautende Entscheidung: Einige Gerichte folgen ihr(7) , andere lehnen sie ab und vertreten weiterhin die Auffassung, dass Untersuchungsanordnungen selbstständig gerichtlich angreifbar und überprüfbar sind.(8)
Das OVG Rheinland-Pfalz setzt sich in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2020(9) sehr kritisch und ausführlich mit den Argumenten des Bundesverwaltungsgerichts auseinander(10) und legt den Begriff der Vollziehbarkeit in § 44a S. 2 VwGO sehr weit aus, indem es darunter auch die Möglichkeit der disziplinarrechtlichen Ahndung fasst, wenn Beamte sich weigern, der Untersuchungsanordnung Folge zu leisten. Daher finde § 44a S. 2 VwGO für Untersuchungsanordnungen Anwendung, mit der Folge, dass die Untersuchungsanordnung im Wege des Eilrechtsschutzes isoliert anfechtbar und überprüfbar ist. Es sei anerkannt, so das OVG Rheinland-Pfalz, dass isolierter verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz dann nicht versagt werden darf, wenn Betroffenen ein Straf- oder Bußgeldverfahren droht. Das müsse auch gelten, wenn ein Disziplinarverfahren drohe.
Das Bundesverfassungsgericht hat – zeitlich nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2019 – 2 VR 5/18 – über mehrere von unserer Kanzlei geführte Verfassungsbeschwerden entschieden. Dabei ging es um Fälle, in denen einstweilige Anordnungen zur vorübergehenden Untersagung der Durchführung einer Dienstunfähigkeitsuntersuchung durch Beschlüsse in der zweiten Instanz abgelehnt worden waren.(11) Die Verfassungsbeschwerden, über die das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte, waren weitgehend erfolgreich. Bereits diesem Umstand konnte entnommen werden, dass das Bundesverfassungsgericht von der Zulässigkeit der isolierten Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit von Untersuchungsanordnungen ausging, ohne dass es die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich ansprach. Im Zusammenhang mit den Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Untersuchungsanordnung stellte das Bundesverfassungsgericht ganz eindeutig fest, dass Beamten effektiver Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen sei.(12) Das geht aber nur im Wege eines isolierten Eilrechtsschutzes gegen die Untersuchungsanordnung. Das Bundesverfassungsgericht weist ferner darauf hin, dass für den Fall der Rechtswidrigkeit einer Untersuchungsanordnung, Beamte sich ohne Eilrechtsschutz einer verfassungswidrigen Untersuchung unterziehen müssten, wenn sie das Risiko vermeiden wollten, dass eine Verweigerung der Untersuchung später als unzulässige Beweisvereitelung behandelt werden könnte.(13)
Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2022 festgestellt, dass effektiver Rechtsschutz nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung noch vor dem Untersuchungstermin selbst überprüft werden kann.(14)
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für Untersuchungsanordnungen
Eine ärztliche Untersuchung greift in Ihre grundrechtsgeschützte persönliche Sphäre ein (Art. 2 Abs. 2 GG, allgemeines Persönlichkeitsrecht). Untersuchungsanordnungen müssen daher wegen der Schwere des Grundrechtseingriffs den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und besondere Rechtmäßigkeitsanforderungen erfüllen.(15) Das Bundesverfassungsgericht weist auf den erheblichen Eingriffscharakter von Untersuchungsanordnungen hin, aber auch darauf, dass Beamte im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis Anordnungen hinnehmen müssen, die im öffentlichen Interesse auf gesetzlicher Grundlage und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden.(16) Als Beamter müssen Sie jedoch nur solche Einschränkungen Ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinnehmen, die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren.(17) Trotz dieser engen Bindung des Dienstherrn an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen die Anforderungen, die an die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gestellt werden, nicht so hoch sein, dass der Dienstherr sie praktisch nicht mehr erfüllen kann.(18)
Bei der Frage, welchen formellen und inhaltlichen Anforderungen die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung genügen muss, unterscheidet das Bundesverwaltungsgericht neuerdings danach, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Untersuchungsanordnung getroffen wird.(19) Eine Untersuchungsanordnung kann entweder auf den Grundtatbestand der Dienstunfähigkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG; § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) oder bei lang dauernden krankheitsbedingten Fehlzeiten auf die Vermutungsregel des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) gestützt werden.
Sofern der Dienstherr die Untersuchungsanordnung auf den Grundtatbestand des § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) stützt, gelten folgende strenge Rechtmäßigkeitsanforderungen:
- Der Untersuchungsanordnung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die die Dienstunfähigkeit nahe liegend erscheinen lassen. Die Untersuchungsanordnung muss diese tatsächlichen Umstände benennen, damit Sie nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind.(20)
- Die Untersuchungsanordnung muss Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Dies darf nicht dem Belieben des Arztes überlassen bleiben. Das gilt besonders für eine fachpsychiatrische Untersuchung. Ihr Dienstherr muss sich daher bereits im Vorfeld der Anordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in Grundzügen darüber klar werden, welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung der gesundheitlichen Zweifel geboten sind.(21)
Entspricht eine Untersuchungsanordnung nicht diesen Anforderungen, ist sie rechtswidrig. Eine unzureichende Begründung kann nicht durch das Nachschieben weiterer Gründe geheilt werden. Erkennt die Behörde die Begründungsmängel der Untersuchungsanordnung, kann sie eine neue Anordnung mit verbesserter Begründung erlassen.(22)
Die Untersuchungsanordnung muss sich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, Sie seien dienstunfähig. Minderleistungen, die in Arbeitsrückständen deutlich werden, sind für sich allein in der Regel kein hinreichender Grund für eine Untersuchungsanordnung.(23)
Stützt Ihr Dienstherr bei lang dauernden krankheitsbedingten Fehlzeiten die Untersuchungsanordnung auf die Vermutungsregel des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), sollen die oben genannten strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen keine Anwendung finden.(24) Die Untersuchungsanordnung muss nur die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten, aber keine darüber hinausgehenden Gründe für die Erforderlichkeit der Untersuchung enthalten. Es reicht aus, wenn die Untersuchungsanordnung die Daten der krankheitsbedingten Fehltage (mehr als 3 Monate im vorhergehenden 6-Monats-Zeitraum) und den Zweck der Anordnung, die weitere Dienstfähigkeit vor diesem Hintergrund zu klären, enthält.(25) Eine sog. schlichte Untersuchungsanordnung genügt den Anforderungen, wenn sie im Tatbestand Ihre Fehlzeiten auflistet und um eine ärztliche Begutachtung mit dem Prognosehorizont bittet.(26) Ihr Dienstherr muss nicht darlegen, dass und warum die zugrunde liegende Erkrankung Zweifel an Ihrer Dienstunfähigkeit begründen. Eine solche Darlegung ist Ihrem Dienstherrn bei einer Untersuchungsanordnung auf Grundlage der Vermutungsregel auch gar nicht möglich, da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Angaben zu den Gründen der Dienstunfähigkeit enthalten.(27) Eine schlichte Untersuchungsanordnung kann sich auch auf psychiatrische Untersuchungen erstrecken.(28)
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts(29) müssen – ungeachtet der Differenzierung des Bundesverwaltungsgerichts – Sie der Weisung Ihres Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten,
- wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung besteht und
- wenn die Untersuchungsanordnung in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, das für die Feststellung der Dienstunfähigkeit erforderlich ist,
- wobei sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung in der Untersuchungsanordnung zu benennen ist, insbesondere um Ihnen einen effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen.
Diese Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts sind für jede Untersuchungsanordnung zu beachten, gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage sie ergeht. Es fragt sich, ob die Differenzierung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsanforderungen durch den Anforderungskatalog des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2020(30) inzwischen nicht überholt ist.
Untersuchungsanordnungen, die nicht die Feststellung einer dauerhaften Dienstunfähigkeit zum Gegenstand haben, können nicht auf die Ermächtigungsgrundlagen des § 46 Abs. 7 BBG oder § 26 Abs. 1 BeamtStG, hier in Verbindung mit einer entsprechenden landesgesetzlichen Regelung gestützt werden.(31) Das betrifft Untersuchungsanordnungen, bei denen zwar Zweifel an der Dienstunfähigkeit bestehen, aber noch keine Versetzung in den Ruhestand erwogen wird. Durch die ärztliche Untersuchung sollen zum Beispiel andere Verwendungsmöglichkeiten geklärt werden. Als Rechtsgrundlage für solche Untersuchungsanordnungen dienen § 62 Abs. 1 BBG (Regelung der beamtenrechtlichen Folgepflicht) oder entsprechende landesgesetzliche Regelungen. Untersuchungsanordnungen, die sich auf eine falsche Rechtsgrundlage stützen, sind rechtswidrig. Der Mangel kann nach Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz auch nicht nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren durch Auswechslung der Rechtsgrundlage geheilt werden.(32)
Untersuchungsanordnungen, die allein dazu dienen, Ihren Gesundheitszustand auszuforschen, um mit den gewonnenen Erkenntnissen weitergehende Schritte mit dem Ziel einer Versetzung in den Ruhestand einzuleiten, sind unzulässig.(33)
Eine Untersuchungsanordnung kann sich – wenn erforderlich – über mehrere Termine und thematisch verschiedene (fach-)ärztliche Untersuchungen erstrecken. Sie kann insbesondere beinhalten, dass Sie sich ggf. einer Zusatzuntersuchung oder Zusatzbegutachtung zu unterziehen haben, falls dies nach Ansicht des beauftragten (Amts-)Arztes zur Feststellung der Dienstunfähigkeit erforderlich sein sollte. Das gilt auch für eine fachpsychiatrische Untersuchung. Erforderlich ist aber, dass Ihr Dienstherr den (Amts-)Arzt in der Untersuchungsanordnung vorsorglich im Voraus mit eventuell notwendig werdenden Zusatzuntersuchungen und Zusatzbegutachtungen beauftragt. Unterlässt er dies, kann der (Amts-)Arzt als sachverständige Hilfsperson von sich aus keine Zusatzuntersuchung oder Zusatzbegutachtung anordnen. Vielmehr wäre der (Amts-)Arzt gehalten, Ihren Dienstherrn auf das Erfordernis zusätzlicher Untersuchungen und Begutachtungen hinzuweisen und um eine entsprechende Erweiterung der Untersuchungsanordnung zu bitten.(34) Blankountersuchungsaufträge greifen jedoch, insbesondere wenn sie sich auch auf fachpsychiatrische Untersuchungen erstrecken, empfindlich in Ihr Persönlichkeitsrecht ein. Im Hinblick auf die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts müssen solche Untersuchungsanordnungen als zu weitgehend angesehen werden.
Die Untersuchungsaufforderung muss an Sie gerichtet sein; eine Mehrfertigung einer an das Gesundheitsamt adressierten Untersuchungsanordnung ist nicht ausreichend.(35)
Auch gerichtliche Untersuchungsanordnungen müssen hinsichtlich ihres Gegenstands und Umfangs bestimmten – aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgenden – formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen.(36)
Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen
Weigern Sie sich, einer ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Untersuchungsanordnung Folge zu leisten, kann die Verweigerung zu Ihrem Nachteil gewertet werden. Die Rechtsprechung leitet dies aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz nach § 444 Zivilprozessordnung (ZPO) ab. In Hessen ist dies ausdrücklich in § 36 Abs. 1 S. 2 HBG geregelt. Im Rahmen freier Beweiswürdigung kann auf Ihre Dienstunfähigkeit geschlossen werden, wenn Sie durch Ihr Verhalten die Feststellung Ihres Gesundheitszustandes bewusst verhindern.(37) Danach tragen Sie, wenn Sie die amtsärztliche Untersuchung verweigern, weil Sie die Untersuchungsanordnung für rechtswidrig halten, das alleinige Risiko, was die spätere gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung betrifft.(38) Da die Weigerung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur ein Indiz für die Annahme der Dienstunfähigkeit ist, kann diese Vermutung widerlegt werden.(39) Auch wenn Sie gegen die Anordnung Klage erhoben haben, ist die Verweigerung der Untersuchung nicht schon deshalb rechtlich unbeachtlich. Denn der Klage kommt keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO zu, weil es sich bei der Untersuchungsanordnung um keinen Verwaltungsakt handelt.(40)
In den meisten Beamtengesetzen der Länder ist der Rechtsgrundsatz des § 444 ZPO bezogen auf eine Weigerung, die Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen, gesetzlich geregelt.(41)
Einer rechtswidrigen Untersuchungsanordnung, die nicht den Anforderungen entspricht, müssen Sie nicht Folge leisten. Auch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen der Weigerung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, setzt die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung voraus. Die Untersuchungsanordnung unterliegt im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Zurruhesetzungsverfügung der vollen gerichtlichen Nachprüfung.(42)
Ihr Dienstherr ist grundsätzlich verpflichtet, nach Möglichkeiten zu Ihrer anderweitigen Verwendung zu suchen. Dies gilt auch dann, wenn die Dienstunfähigkeit aus Ihrer Verweigerung einer ärztlichen Begutachtung geschlossen wird.(43)
Kommen Sie einer Untersuchungsanordnung nicht nach, verletzen Sie Ihre Dienstpflicht aus § 44 Abs. 6 BBG. Damit setzen Sie sich einer disziplinarrechtlichen Sanktion aus. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist dies im Regelfall aber nur eine theoretische Möglichkeit.(44) Das VG Frankfurt stellt dazu die Frage, woraus das Bundesverwaltungsgericht ableitet, dass Beamten auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme drohe. Und das OVG Rheinland-Pfalz verweist darauf, dass die gerichtliche Praxis wiederholt entsprechende Ahndungen zum Gegenstand hat.(45) Sollte es im Einzelfall doch zu einem Disziplinarverfahren kommen, vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung dann im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG zu prüfen wäre. Die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung würde seiner Ansicht nach regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge haben.
Behördliche oder gerichtliche Anordnungen, vormals behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden
Verpflichtung zur ärztlichen Schweigepflichtentbindung
Bei der Erstellung eines Gutachtens zur Feststellung Ihrer Dienstunfähigkeit kann es erforderlich sein, in früher erstellte ärztliche Unterlagen Einsicht zu nehmen. Das ist rechtlich nur zulässig, wenn Sie Ihre vormals behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden.
Damit stellt sich die Frage, ob Sie verpflichtet sind, zur Feststellung der Dienstunfähigkeit Ihren Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Mit einer solchen Verpflichtung wäre ein schwerwiegender Eingriff in das Recht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbunden.(46) Eine solche Verpflichtung zur Entbindung von der Schweigepflicht in einem Verfahren zur Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit setzt daher eigentlich eine gesetzliche Regelung voraus. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen fehlen jedoch. Verpflichtungen zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht werden auf allgemeine Beamtenpflichten gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte dazu mit Beschluss aus dem Jahr 2014: Auch wenn man eine gesetzliche Grundlage fordern würde, wäre der gegenwärtig allgemein praktizierte Rückgriff auf allgemeine Beamtenpflichten noch für eine Übergangszeit hinzunehmen.(47)
So lange keine gesetzlichen Regelungen vorliegen, stellt das Bundesverwaltungsgericht jedoch strenge Anforderungen an Anordnungen, die Sie in Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit verpflichten, Ärzte zu Beweiszwecken von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden:
- Es müssen ernsthafte Zweifel an Ihrer Dienstfähigkeit vorliegen.(48)
- Die früheren medizinischen Erkenntnisse müssen nach ärztlicher Auffassung für die neue ärztliche Begutachtung zwingend erforderlich sein.(49)
- Die Anordnung muss zur Klärung der ernsthaften Zweifel an Ihrer Dienstfähigkeit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.(50)
Der Grundsatz, dass eine Anordnung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss, ist insbesondere bei psychischen Erkrankungen streng zu beachten.(51) Pauschale Aufforderungen, sämtliche Ärzte, bei denen Sie in Behandlung waren, gleich welcher Fachrichtung von der Schweigepflicht zu entbinden, sind in der Regel unverhältnismäßig und vom Untersuchungszweck nicht gedeckt und damit rechtswidrig.(52)
Diese Rechtmäßigkeitsanforderungen gelten gleichermaßen für gerichtliche Anordnungen, mit denen Ihnen aufgegeben wird, zur Erstellung eines ärztlichen Gutachtens vormals behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und der Beiziehung früherer Begutachtungen zuzustimmen.(53)
Weigerung, vormals behandelnde Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden
Ebenso wie aus der Weigerung, einer Untersuchungsanordnung Folge zu leisten, kann auch aus einer Verweigerung der Schweigepflichtentbindung und der Verweigerung der Zustimmung zur Aktenbeiziehung die fehlende Dienstfähigkeit geschlossen werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Aufforderung zur Entbindung vormals behandelnder Ärzte von der Schweigeplicht rechtmäßig ist.(54) Wird durch die Weigerung eine vollständige gerichtliche Überprüfung verhindert, gehen verbleibende Unsicherheiten zu Ihren Lasten.(55) Die Verweigerung einer unverhältnismäßig weitgehenden Schweigepflichtentbindung und einer ebensolchen Aktenbeiziehung darf nicht zum Anlass für die Anwendung der Beweisregel des § 444 ZPO genommen werden.
(1) BVerwG vom 26.04.2012 – 2 C 17.10, juris, Rn. 14 f., NJW 2012, 8, BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 20
(2) BVerwG vom 10.04.2014 – 2 B 80.13, juris, Rn. 17, DÖD 2014, 181
(3) 2 VR 5/18, juris, Rn. 18
(4) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 33; im Einzelnen vgl. Klaus von der Weiden, jurisPR-BVerwG 10/2019 Anm. 6
(5) 2 VR 5/18 vom 14.03.2019
(6) OVG Lüneburg vom 23.02.2010 – 5 LB 20/09, juris, Rn. 50; VGH Baden-Württemberg vom 22.07.2014 – 4 S 1209/13, juris, Rn. 24, 26; OVG Schleswig-Holstein vom 25.08.2014 – 2 MB 14/14, juris, Rn. 5; BayVGH vom 23.02.2015 – 3 CE 15.172, juris, Rn. 14; OVG Rheinland-Pfalz vom 03.02.2015 – 2 A 10458/14, juris, Rn. 26; Hessischer VGH vom 08.05.2015 – 1 B 459/15, juris, Rn. 8
(7) OVG Schleswig-Holstein vom 24.07.2019 – 2 MB 1/19, juris, Rn. 9; OVG NRW vom 26.08.2019 – 6 A 1026/19, juris, Rn. 4, 14, 15, 19, 25; VGH Baden-Württemberg vom 13.01.2020 – 4 S 2269/19, juris, Rn. 4 f.
(8) VG Frankfurt vom 13.08.2019 – 9 L 2471/19.F, juris, Rn. 23 ff; HessVGH vom 07.07.2020 – 1 B 1731/20, juris, Rn. 12 ff; VG Wiesbaden vom 30.09.2020 – 3 L 1061/20.WI, juris, Rn. 15; OVG Rheinland-Pfalz vom 29.10.2020 – 2 B 11161/20, juris, Rn. 7 ff.; VG Potsdam vom 06.01.2021 – 2 L 1170/20, juris, Rn. 4 ff.; so auch Thorsten von Roetteken, jurisPR-ArbR 21/2019 Anm. 5
(9) 2 B 11161/20, juris, Rn. 7 ff.
(10) Vgl. auch VG Frankfurt vom 13.08.2019 – 9 L 2471/19.F, juris, Rn. 13 ff.
(11) BVerfG vom 13.05.2020 – 2 BvR 652/20, juris; BVerfG vom 12.08.2020 – 2 BvR 1427/20, juris; BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris
(12) BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris, Rn. 35
(13) BVerfG vom 12.08.2020 – 2 BvR 1427/20, juris, Rn. 14
(14) BVerfG vom 14.01.2022 – 2 BvR 1528/21, Rn. 18, juris
(15) BVerwG vom 10.04.2014 – 2 B 80.13, juris, Rn. 8 ff., DÖD 2014, 181
(16) BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris, Rn. 31 ff.
(17) BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris, Rn. 35
(18) BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris, Rn. 36
(19) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 46 ff.
(20) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 20; BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn 43
(21) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 22; BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 44
(22) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 21; BVerwGE 146, 347
(23) BVerwG vom 10.04.2014 – 2 B 80.13, juris, Rn. 19; DÖD 2014, 181
(24) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 46 ff.
(25) HessVGH vom 07.07.2020 – 1 B 1731/20, juris, Rn. 20
(26) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn 52; ebenso zuvor schon OVG NRW vom 29.05.2017 – 6 B 360/17, juris, Rn. 13; VG Berlin vom 23.11.2017 – 28 L 74.17, juris, Rn. 22, 26
(27) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 47, 50; anderer Ansicht OVG Berlin-Brandenburg vom 10.06.2015 – 4 S 6.15, juris, Rn. 19
(28) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 51; anderer Ansicht OVG Berlin-Brandenburg vom 15.11.2017 – OVG 4 S 26.17, juris, Rn. 13: Geringere Begründungsanforderungen nur für eine orientierende Erstuntersuchung, nicht aber für nachfolgende fachärztliche und/oder fachpsychiatrische Untersuchungen
(29) BVerfG vom 21.10.2020 – 2 BvR 652/20, juris, Rn. 35
(30) 2 BvR 652/20
(31) BVerwG vom 23.10.1980 – 2 A 4.78, juris, Rn 25; VG Wiesbaden vom 30.09.2020 – 3 L 1061/20.WI, juris, Rn. 22; OVG Rheinland-Pfalz vom 29.10.2020 – 2 B 11161/20, juris, Rn. 18 f.
(32) OVG Rheinland-Pfalz vom 29.10.2020 – 2 B 11161/20, juris, Rn. 19
(33) VG Wiesbaden vom 30.09.2020 – 3 L 1061/20.WI, juris, Rn. 22
(34) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 55 ff.
(35) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, Rn. 17, BVerwGE 146, 347
(36) BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 12, NJW 2014, 2971
(37) BVerwG vom 26.04.2012 – 2 C 17.10, juris, Rn. 12, NJW 2012, 8; BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 14, BVerwGE 146, 347; BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 11, IÖD 2014, 100; BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, juris, Rn. 44, DÖV 2014, 934; Niedersächsisches OVG vom 23.02.2010 – 5 LB 20/09, juris, Rn. 36 f.; OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2010 – 6 A 2903/09, juris, Rn. 6, NVwZ-RR 2010, 694, BVerwGE 146, 347
(38) VG Frankfurt vom 13.08.2019 – 9 L 2471/19.F, juris, Rn. 22; OVG Rheinland-Pfalz vom 29.10.2020 – 2 B 11161/20, juris, Rn. 23
(39) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 14, BVerwGE 146, 347
(40) BVerwG vom 26.04.2012 – 2 C 17.10, juris, Rn. 14, NJW 2012, 8
(41) Vgl. § 53 Abs. 1 S. 2 LBG Baden-Württemberg; Art. 65 Abs. 2 S. 2 BayBG; § 39 Abs. 1 S. 3 LBG Berlin; § 43 Abs. 2 BremBG; § 41 Abs. 1 S. 2 HmbBG; § 36 Abs. 1 S 2 HBG; § 43 Abs. 2 LBG M-V; § 52 Abs. 1 S. 4 SächsBG; § 45 Abs. 1 S. 2 LBG LSA; § 41 Abs. 1 S. 2 LBG Schleswig-Holstein; § 31 Abs. 1 S. 2 ThürBG
(42) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 13; BVerwGE 146, 347; BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 33
(43) BVerwG vom 30.05.2013 – 2 C 68.11, juris, Rn. 34 f., BVerwGE 146, 347
(44) BVerwG vom 14.03.2019 – 2 VR 5/18, juris, Rn. 33 ff., 36; anderer Ansicht VG Frankfurt vom 13.08.2019 – 9 L 2471/19.F, juris, Rn 31; OVG Rheinland-Pfalz vom 29.10.2020 – 2 B 11161/20, juris, Rn. 15
(45) Vgl. unter anderem VG Düsseldorf vom 15.04.2019 – 38 K 280/19.BDG, juris, Rn. 43 ff.; VG Magdeburg vom 28.01.2020 – 15 A 5/19, juris, Rn. 23 ff.
(46) BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 13, NJW 2014, 2971
(47) BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 7, IÖD 2014, 100
(48) BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 7, IÖD 2014, 100
(49) BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 17, NJW 2014, 2971
(50) BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 7, IÖD 2014, 100
(51) BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 13, NJW 2014, 2971
(52) BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 13, IÖD 2014, 100
(53) BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 13, NJW 2014, 2971
(54) BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, juris, Rn. 9, IÖD 2014, 100; BVerwG vom 26.05.2014 – 2 B 69.12, juris, Rn. 12 ff., NJW 2014, 2971; BVerwG vom 03.06.2014 – 2 B 105.12, Rn. 31
(55) VGH Baden-Württemberg vom 27.02.2020 – 4 S 807/19, juris LS und Rn. 36