Dienstunfähigkeit

Die Dienstunfähigkeit ist von Amts wegen oder auf Antrag festzustellen. Prüfungsmaßstab ist nicht, welchen konkreten Dienstposten Sie innegehabt haben, sondern Ihr Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, zum Beispiel das Amt eines Regierungsrats. Darüber hinaus bestimmt sich die Dienstunfähigkeit nicht nur nach der jeweiligen Gesundheitsbeeinträchtigung, sondern auch nach ihren konkreten Auswirkungen auf den Dienstbetrieb.

 

Finanzielle Auswirkungen einer Dienstunfähigkeit

Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist für Betroffene ein schwerwiegender rechtlicher Eingriff. Er ist verbunden mit meist spürbaren finanziellen Einbußen. An die Stelle des Anspruchs auf Besoldung tritt in der Regel ein Versorgungsanspruch, unter der Voraussetzung, dass Sie die 5-jährige versorgungsrechtliche Wartezeit im Beamtenverhältnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG erfüllt haben. Nur für den Fall, dass Ihre Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall zurückgeführt werden kann, entsteht der Versorgungsanspruch ohne Einhaltung einer Wartezeit.

 

Vermindertes Ruhegehalt bei Dienstunfähigkeit

Das Ruhegehalt bei Dienstunfähigkeit ist in der Regel weitaus niedriger als die bisherige Besoldung im aktiven Amt und niedriger als bei regulärem Eintritt in den Ruhestand. Die Höhe der Versorgung aus dem letzten Amt hängt von der jeweils bis zum Eintritt der Dienstunfähigkeit zurückgelegten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit ab. Grundsätzlich gilt: Je kürzer die zurückgelegte Dienstzeit, desto niedriger der Versorgungsanspruch. 

 

Sollten Sie vor Erreichen Ihres 60. Lebensjahrs dienstunfähig werden, wird Ihrer bisherigen Dienstzeit noch eine Zurechnungszeit hinzugerechnet (§ 13 Abs. 1 BeamtVG). Diese beträgt 2 Drittel des Zeitraums, der zwischen Ihrem Eintritt in den Ruhestand und Ihrem 60. Geburtstag liegt. Das so errechnete Ruhegehalt wird grundsätzlich um einen Versorgungsabschlag gemindert, sofern Sie vor Erreichen des 63. Lebensjahrs wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt werden (§ 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BeamtVG). Die Minderung beträgt 3,6 Prozent für jedes Jahr (0,3 Prozent pro Monat), höchstens aber 10,8 Prozent. Für Beamte des Bundes gilt: Werden Sie in den Jahren 2012 bis 2023 in den Ruhestand versetzt, gilt anstelle des 63. Lebensjahrs ein nach § 69 h Abs. 3 Nr. 2 BeamtVG stufenweise erhöhtes Lebensalter, ab 2024 dann das 65. Lebensjahr. 

 

Haben Sie bei Versetzung in den Ruhestand bereits das 63. Lebensjahr vollendet und beträgt Ihre Dienstzeit mindestens 40 ruhegehaltsfähige Jahre, wird Ihr Ruhegehalt nicht um einen Versorgungsabschlag gemindert (§ 14 Abs. 3 S. 6 BeamtVG). 

 

In den Bundesländern gelten zum Teil abweichende Regelungen, was die Altersgrenzen, das Hinausschieben des Ruhestandseintritts und die Berechnung des Versorgungsabschlags betrifft. Von den Bundesländern hat nur das Land Berlin an der allgemeinen Lebensaltersgrenze von 65 Jahren festgehalten. Jedoch beträgt in allen Beamtenversorgungsgesetzen der Versorgungsabschlag weiterhin 0,3 Prozent je Monat.

 

Ruhegehalt in Höhe der Mindestversorgung

Das Ruhegehalt bei Eintritt in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit wird aber mindestens in Höhe der Mindestversorgung gezahlt und beträgt mindestens 35 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge oder – wenn dies günstiger ist – 65 Prozent der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4 (§ 14 Abs. 4 BeamtVG).

 

Nichterfüllung der 5-jährigen Wartezeit

Haben Sie bei Eintritt der Dienstunfähigkeit die 5-jährige Wartezeit noch nicht erfüllt, sind Sie aus dem Beamtenverhältnis nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 BBG und § 23 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG zu entlassen und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Allerdings gelten auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Wartezeiten, sodass bestenfalls Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente entstehen. Aus fürsorgerechtlichen Gründen besteht aber immer noch die Möglichkeit, dass Ihr Dienstherr im Rahmen seines Ermessens einen Unterhaltsbeitrag bewilligt (§ 15 BeamtVG).

 

Feststellung der Dienstunfähigkeit

Voraussetzungen der Dienstunfähigkeit

Der Dienstherr kann die Versetzung wegen Dienstunfähigkeit eines Beamten auf Lebenszeit alternativ auf 2 gesetzliche Tatbestände der Dienstunfähigkeit stützen:

 

Alternative des § 44 Abs. 1 S. 1 BBG, § 26 Abs. 1 S. 1 BeamtStG:

  • Sie sind wegen Ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig).

 

Alternative des § 44 Abs. 1 S. 2 BBG, § 26 Abs. 1 S. 2 BeamtStG:

  • Sie haben infolge einer Erkrankung innerhalb von 6 Monaten mehr als 3 Monate keinen Dienst getan und es besteht keine Aussicht, dass Ihre Dienstfähigkeit innerhalb von weiteren 6 Monaten wieder voll hergestellt ist (sog. vermutete Dienstunfähigkeit).

 

Für Ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit kommen weitere Voraussetzungen hinzu:

  • Sie können unter Beibehaltung Ihres Amts die Dienstpflichten nicht mehr während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen, das heißt, Sie sind nicht begrenzt dienstfähig (§ 45 Abs. 1 S. 1 BBG; § 27 Abs. 1 BeamtStG).
  • Sie können nicht anderweitig verwendet werden (§ 44 Abs. 1 S. 3 BBG, § 26 Abs. 1 S. 3 BeamtStG).
  • Für den Fall, dass eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist, kann Ihnen zugemutet werden, dass Ihnen eine geringerwertige Tätigkeit übertragen wird, und zwar unter Beibehaltung Ihres bisherigen Amts und unter Berücksichtigung Ihrer bisherigen Tätigkeit (§ 44 Abs. 3 BBG, § 26 Abs. 3 BeamtStG). 

 

Die für Beamte der Länder geltenden Regelungen des Beamtenstatusgesetzes und die in diesem Rahmen ergangenen Regelungen der Landesbeamtengesetze (vgl. zum Beispiel §§ 36–41 HBG) entsprechen weitgehend den bundesrechtlichen Regelungen.

 

Feststellung von Amts wegen oder auf Antrag

Die Dienstunfähigkeit stellt Ihr Dienstherr von Amts wegen oder auf Ihren Antrag hin fest (§ 47 Abs. 1 BBG). Im Unterschied zum Bundesbeamtengesetz ist dies in den Landesbeamtengesetzen zum Teil ausdrücklich geregelt (vgl. § 36 Abs. 4 HBG). Richter auf Lebenszeit oder Zeit können nach § 34 DRiG ohne ihre schriftliche Zustimmung nur aufgrund rechtskräftiger richterlicher Entscheidung des jeweils zuständigen Dienstgerichts wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden.

 

Begriff der Dienstunfähigkeit

Nach der Entscheidungsalternative des § 44 Abs. 1 S. 1 BBG bzw. § 26 Abs. 1 S. 1 BeamtStG hat Ihr Dienstherr die Dienstunfähigkeit tatsächlich festzustellen.

 

Bei der Dienstunfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt.(1) Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen Ihrer Leistungsfähigkeit steht Ihrem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum zu; vielmehr können Sie seine Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen.

 

Der Dienstunfähigkeitsbegriff ist amtsbezogen. Prüfungsmaßstab für Ihre Dienstunfähigkeit ist weder der Dienstposten, den Sie konkret innehatten, noch das Statusamt, sondern das innegehabte Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, zum Beispiel das Amt eines Oberamtsrats oder Regierungsrats bei Ihrer Behörde.(2) Ihr Dienstherr bestimmt in Ausübung seiner Organisationsgewalt, welche Anforderungen er an ein statusrechtliches Amt stellt.(3) Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die Leistungsfähigkeit zu messen ist. Es kommt also nicht darauf an, ob Sie die Aufgaben Ihres zuletzt innegehabten Dienstpostens gesundheitlich erfüllen können. Vielmehr ist Ihr Gesundheitszustand in Bezug zu den Anforderungen des jeweiligen Statusamts zu setzen. Sie sind erst dann dienstunfähig, wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen keinen der in Ihrer Behörde vorhandenen und Ihrem Statusamt zugeordneten Dienstposten ausfüllen können.(4) 

 

Darüber hinaus bestimmt sich Ihre Dienstunfähigkeit auch danach, welche konkreten Auswirkungen auf den Dienstbetrieb Ihre gesundheitliche Beeinträchtigung hat.(5) Damit ist für die Feststellung Ihrer Dienstunfähigkeit auch eine Prognose erforderlich: Ihr Dienstherr muss die Frage beantworten, ob bei Ihrer Weiterbeschäftigung der Dienstbetrieb ohne wesentliche Beeinträchtigung aufrechterhalten werden kann. Diese Frage ist zum Beispiel dann zu verneinen, wenn mit überdurchschnittlichen Fehlzeiten zu rechnen ist, die es nicht zulassen, Sie bei der Festlegung der Betriebsabläufe einzuplanen.

 

Sog. vermutete oder fiktive Dienstunfähigkeit

Nach der Entscheidungsalternative des § 44 Abs. 1 S. 2 BBG (§ 26 Abs. 1 S. 2 BeamtStG) muss Ihr Dienstherr Ihre Dienstunfähigkeit nicht nachweisen, sondern er kann sie unter bestimmten und im Vergleich zu § 44 Abs. 1 S. 1 BBG (§ 26 Abs. 1 S. 1 BeamtStG) einfacheren Voraussetzungen unterstellen.Diese Regelung ermöglicht es Dienstherren, Beamte, die durch Erkrankungen innerhalb von 6 Monaten mehr als 3 Monate ausfallen, wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer 6 Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Damit wird den Auswirkungen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf den Dienstbetrieb entscheidende Bedeutung beigemessen. Angesichts des häufig schwierigen Nachweises der Dienstunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 S. 1 BBG (§ 26 Abs. 1 S. 1 BeamtStG) dient die Regelung der Praktikabilität und der Beweiserleichterung.(6) Zur Feststellung Ihrer Dienstunfähigkeit genügt die anhand tatsächlicher Umstände zu treffende Prognose, dass eine Wiedererlangung der Dienstfähigkeit innerhalb eines 6-monatigen Zeitraums unwahrscheinlich ist und mit ihr nicht gerechnet werden kann.(7) Eine solche Prognose wird in der Regel nur auf der Grundlage einer ärztlichen Beurteilung getroffen werden können. Sollten Sie zu einem späteren Zeitpunkt Ihre Dienstfähigkeit wiedererlangen, können Sie wieder in den Dienst aufgenommen werden (§ 46 BBG, § 29 BeamtStG).

 

Anderweitige Verwendung

Nach dem Grundsatz »Weiterverwendung vor Versorgung« scheiden Sie als Beamter wegen Dienstunfähigkeit nur dann aus dem aktiven Dienst aus, wenn Sie dort nicht mehr eingesetzt werden können (§ 44 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 bis 5 BBG, § 26 Abs. 1 S. 3 Abs. 2 und 3 BeamtStG): Ihr Dienstherr ist gesetzlich verpflichtet, nach einer anderen Verwendung für Sie zu suchen.(8) 

 

Dabei muss Ihr Dienstherr seine Suche auf seinen gesamten Bereich erstrecken, wobei sich im Einzelfall – insbesondere unter Fürsorgeaspekten – eine räumliche Begrenzung ergeben kann.(9) Diese Suche muss sich auch Dienstposten einbeziehen, die in absehbarer Zeit neu besetzt werden sollen. Sie darf sich jedoch nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, Sie zu übernehmen. Allerdings ist Ihr Dienstherr nicht verpflichtet, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um Ihre Weiterverwendung zu ermöglichen.(10) Können Sie aufgrund einer Schwerbehinderung die Anforderungen eines anderweitigen Dienstpostens nicht erfüllen, darf Ihre gesundheitliche Eignung nur verneint werden, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an den allgemeinen Anforderungen sprechen.(11)

 

Ihr Dienstherr hat darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung die gesetzlichen Vorgaben beachtet hat. Es geht daher zulasten Ihres Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche diesen Anforderungen entsprochen hat.(12)

 

Begrenzte Dienstunfähigkeit

Können Sie unter Beibehaltung des Ihnen übertragenen Amts Ihre Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen, sind Sie für begrenzt dienstfähig zu erklären.(13)

 

Als begrenzt dienstfähiger Beamter darf Ihre Besoldung nicht zeitanteilig an die Besoldung teilzeitbeschäftigter Beamter angepasst werden. Vielmehr ist Ihre Besoldung grundsätzlich an der Besoldung für Vollzeitbeschäftigte zu orientieren.(14) Da Ihrem Dienstherrn jedoch ein Teil Ihrer Arbeitskraft zu früh verloren geht, darf er einen Abschlag von der vollen Besoldung vornehmen oder sie an die Teilzeitbesoldung anknüpfen und um einen Zuschlag ergänzen (vgl. § 72a Bundesbesoldungsgesetz, BBesG). Als Ergebnis muss sich die Besoldung bei begrenzter Dienstfähigkeit aber deutlich von der Besoldung freiwillig Teilzeitbeschäftigter abheben und das erforderliche Alimentationsniveau sicherstellen.(15) Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts hat das Bundesverfassungsgericht(16) entschieden, dass die besoldungsrechtliche Regelung des Landes Niedersachsen für begrenzt dienstfähige Beamte zu niedrig bemessen und damit mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar ist. Es hat den Gesetzgeber des Landes Niedersachsen verpflichtet, eine verfassungskonforme Regelung mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2020 an zu treffen. Eine rückwirkende Änderung der Rechtslage hält das Bundesverfassungsgericht nicht für geboten, mit Ausnahme von Beamten, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden wurde(17). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts(18) dürfte die Besoldungsregelung des § 7 Thüringer Besoldungsgesetz, die als Zuschlag zur Teilzeitbesoldung einen angemessenen prozentualen Teil der Differenz zwischen der Teilzeit- und der Vollzeitbesoldung gewährt, als Vorbild für eine verfassungsmäßige Regelung dienen.

 

In Hessen herrscht eine ähnliche Rechtslage wie in Thüringen. Trotzdem sieht sich der hessische Gesetzgeber nicht veranlasst, diese in Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts(19) zu ändern.

 

Feststellung gesundheitlicher Leistungseinschränkungen

Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Arztes

Zur Beurteilung Ihrer Dienstfähigkeit müssen die gesundheitsbedingten Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und ihre prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies erfordert besondere medizinische Sachkunde, über die nur Ärzte verfügen. Dementsprechend sieht § 47 Abs. 1 S. 1 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 1 HBG vor, dass die Einschätzung Ihres Dienstherrn auf ein ärztliches Gutachten gestützt sein muss. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 BBG bzw. § 39 Abs. 1 S. 1 HBG kann die ärztliche Untersuchung nur einem Amtsarzt oder einem Arzt, der als Gutachter zugelassen ist, übertragen werden. Welcher Arzt mit der Fertigung von Gutachten beauftragt werden kann, bestimmt die oberste Dienstbehörde (§ 48 Abs. 1 S. 2 und 3 BBG bzw. § 39 Abs. 1 S. 1 HBG).

 

Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Verantwortung für die Entscheidung über die Beurteilung der Dienstfähigkeit übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe Ihr Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Ihr Dienstherr muss sich die ärztlichen Erkenntnisse zu eigen machen. Er darf sie nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden.(20) Dies gilt insbesondere für die Feststellung, welche Folgen die ärztlich festgestellten Leistungseinschränkungen für Ihre sich aus dem Amt ergebenden Dienstpflichten haben. Der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens muss in der Regel auch nicht die Befragung von Personen vorgeschaltet sein, die ärztliche Diagnosen gestellt haben oder sich in sonstiger Weise über Ihre Dienstunfähigkeit äußern können, wie zum Beispiel Ärzte, Personalverantwortliche oder Nachbarn.(21) Ein medizinischer Sachverständiger kann aus denselben Gründen wie ein Richter – zum Beispiel wegen Besorgnis der Befangenheit – abgelehnt werden (§ 173 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung,VwGO, in Verbindung mit § 406 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung, ZPO).

 

Anforderungen an ein ärztliches Gutachten

Ein ärztliches Gutachten kann seine Aufgabe, Ihrem Dienstherrn oder dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln, nicht erfüllen,(22) wenn es 

 

  • grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, 
  • von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder 
  • wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht 

 

Gleiches gilt, wenn das Gutachten auf einer erkennbar unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruht.Ihr Dienstherr muss sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit seiner darauf beruhenden Entscheidung auseinandersetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des (Amts-)Arztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, das heißt die in Bezug auf Sie erhobenen Befunde, enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für Ihre Fähigkeit, Ihr abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben. Wie detailliert eine (amts-)ärztliche Stellungnahme jeweils sein muss, kann nicht verallgemeinert werden. Dafür kommt es entscheidend auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.(23)

 

Dieser vonseiten des Bundesverwaltungsgerichts vertretenen Rechtsauffassung haben sich die hessischen Gerichte zumindest bisher noch nicht angeschlossen. Diese gehen vielmehr immer noch davon aus, dass die amtsärztlichen Gutachten der hessischen Versorgungsämter ausreichend seien (obwohl sie die vorgenannten Anforderungen nicht ansatzweise erfüllen) und Sie die inhaltliche Rechtsfehlerhaftigkeit des Gutachtens darlegen müssen.

 

Gerichtliche Aufklärungspflicht

Die Beurteilung der Dienstunfähigkeit unterliegt der inhaltlich nicht eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Nach § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO hat das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Es kann seine Feststellungen zu Ihrem gesundheitlichen Zustand und der daraus folgenden Einschränkung Ihrer Leistungsfähigkeit grundsätzlich auf das vom Dienstherrn nach § 48 Abs. 1 BBG bzw. § 39 Abs. 1 HBG beigezogene ärztliche Gutachten sowie die Atteste Ihres Hausarztes stützen. Erweisen sich diese Beweismittel als nicht tragfähig, so hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht über die Ergänzung des vorhandenen Gutachtens oder über die Einholung eines weiteren Gutachtens zu entscheiden.

 

Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO). Liegen ihm bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene ärztliche Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht.(24) Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens stellt daher nur dann einen Verstoß gegen die dem Gericht nach § 86 VwGO obliegende Aufklärungspflicht dar, wenn sich ihm eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil das vorliegende Gutachten nicht vermitteln kann, ob Sie zu dem Zeitpunkt, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung maßgeblich ist, tatsächlich dienstunfähig waren.(25)

 

Vorrang einer amtsärztlichen Beurteilung

Der medizinischen Beurteilung eines Amtsarztes kann im Konfliktfall grundsätzlich der Vorrang gegenüber privatärztlichen Stellungnahmen eingeräumt werden.(26) Voraussetzung dafür ist, dass inhaltlich nicht oder nicht vollständig vereinbarte Stellungnahmen eines Amtsarztes und Privatarztes zu demselben Krankheitsbild vorliegen und der Amtsarzt sich mit substantiierten medizinischen Befunden des behandelnden Privatarztes auseinandergesetzt hat.(27) Ferner muss die Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen und es dürfen keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes oder des Facharztes bestehen.(28)

 

Dieser eingeschränkte Vorrang im Konfliktfall findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit von Amtsärzten, die sowohl Ihnen als auch Ihrer Dienststelle gleichermaßen fernstehen. Dieser Vorrang gilt aber nicht für das Gutachten der von Ihrem Dienstherrn nach § 48 Abs. 1 S. 1 BBG bzw. § 39 Abs. 1 HBG ausgewählten und beauftragten Ärzte,(29) da es hier an der für die Annahme einer unabhängigen Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Distanz zu allen Beteiligten fehlt.

 

Bedeutung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Die Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit setzt ebenso wenig wie eine arbeitsrechtliche Kündigung die vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX voraus. Das Unterbleiben des BEM macht die Zurruhesetzungsverfügung nicht rechtswidrig,(30) es kann aber mittelbare Folgen zulasten des Dienstherrn haben(31):

 

  • Die Anordnung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, setzt tatsächliche Umstände voraus, die die ernsthafte Besorgnis begründen, Sie seien dienstunfähig. Diese liegen bei ordnungsgemäßer, aber erfolgloser Durchführung eines BEM regelmäßig vor. Unterlässt der Dienstherr die Durchführung eines BEM, muss er daher die Untersuchungsanordnung auf anderweitige, ausreichende Tatsachenfeststellungen stützen.
  • Es geht zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche nach einer anderweitigen Verwendung für Sie den gesetzlichen Vorgaben (§ 44 Abs. 3 BBG bzw. § 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG) entsprach. Auch insoweit entlastet es Dienstherren, wenn auch die Durchführung eines BEM keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen konnte.

 

Pflicht zur Anhörung

Vor einer Zurruheversetzung sind Sie anzuhören. Ihnen ist die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit unter Angabe der Gründe mitzuteilen (§ 47 Abs. 1 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 2 HBG) und Ihnen muss Gelegenheit gegeben werden, innerhalb eines Monats Einwendungen zu erheben (§ 47 Abs. 2 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 3 HBG). Die Anhörung ist auch dann erforderlich, wenn Ihr Dienstherr aufgrund Ihrer Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, Ihre Dienstunfähigkeit schlussfolgert.(32) Im Rahmen der Anhörung können Sie geltend machen, dass die Untersuchungsanordnung nicht den erforderlichen formellen und inhaltlichen Anforderungen genüge, mit der Folge, dass aus der Verweigerung der Untersuchung nicht auf die Dienstunfähigkeit geschlossen werden durfte.

 

Die Anhörung kann auch nicht im Widerspruchsverfahren nach § 45 Abs. 2 VwVfG nachgeholt werden, da es sich bei § 47 Abs. 2 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 3 HBG um eine Spezialregelung handelt. Auch ist die Regelung des § 46 VwVfG bei einem Verstoß gegen die Anhörungspflicht nicht anwendbar.(33)

 

Rechtsschutz

Durch die Versetzungsverfügung beginnt der Ruhestand mit dem Monat, in dem Ihnen Ihre Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bekannt gegeben wurde (§ 47 Abs. 4 S. 1 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 5 HBG). Ab diesem Zeitpunkt besteht nur noch ein Anspruch auf Ruhegehaltsbezüge, die Besoldung, die das Ruhegehalt übersteigt, wird einbehalten (§ 47 Abs. 4 S. 2 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 5 HBG).

 

Sie können gegen die Versetzungsverfügung Widerspruch und gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid Anfechtungsklage erheben. Nach § 47 Abs. 4 S. 2 BBG bzw. § 36 Abs. 3 S. 2 HBG entfällt aber die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage, sodass Sie während des Streitverfahrens nur das Ruhegehalt erhalten. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass Ihnen und Ihrer Familie für den Fall, dass die Rechtsbehelfe ohne Erfolg bleiben, nicht dem Risiko ausgesetzt werden sollen, die Differenz zwischen den Dienstbezügen und dem Ruhegehalt zurückzahlen zu müssen.(34) Sie können aber im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht beantragen, dass Ihr Dienstherrn im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S 2 VwGO verpflichtet wird, Ihnen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die vollen aktiven Dienstbezüge zu zahlen.(35)

 

Haben Sie selbst einen Antrag auf Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit gestellt und wurde dieser abgelehnt, können Sie Verpflichtungsklage erheben.

  

 

(1) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 17, DÖV 2014, 934

(2) BVerwG vom 28.06.1990 – 2 C 18/89, Rn. 16, DÖD 1991, 35 

(3) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 16, DÖV 2014, 934

(4) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 14 und 22, NJW 2014, 10

(5) BVerwG vom 17.10.1966 – VI C 56.63, Rn. 22 ff., juris; BGH vom 16.12.2010 – RiZ(R) 2/10, Rn. 25, BGHZ 188, 20; OVG Berlin-Brandenburg vom 26.04.2012 – OVG 6 B 5.12, Rn. 28, openJur 2012, 69041

(6) BVerwG vom 17.10.1966 – VI C 56.63, Rn. 21, juris

(7) BGH vom 16.12.2010 – RiZ(R) 2/10, Rn. 27 ff., BGHZ 188, 22

(8) BVerwG vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, Rn. 26 ff., BVerwGE 133, 297

(9) BVerwG vom 06.03.2012 – 2 A 5.10, Rn. 4, RiA 2012, 165

(10) BVerwG vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, Rn. 30, BVerwGE 133, 297

(11) BVerwG vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, Rn. 31, BVerwGE 133, 297

(12) BVerwG vom 26.03.2009 – 2 C 73.08, Rn. 32, BVerwGE 133, 297

(13) § 45 Abs. 1 BBG, § 27 Abs. 1 BeamtStG; BVerwG vom 30.08.2012 – 2 C 82.10, Rn. 11, NVwZ-RR 2012, 928

(14) BVerwG vom 27.03.2014 – 2 C 50.11, Rn. 12 ff., NJW 2014, 10; BVerfG vom 28.11.2018 – 2 BvL 3/15, Rn. 39, juris

(15) BVerwG vom 27.03.2014 – 2 C 50.11, Rn. 27, NJW 2014, 10 

(16) BVerfG vom 28.11.2018 – 2 BvL 3/15

(17) BVerfG vom 28.11.2018 – 2 BvL 3/15, Rn. 64, juris

(18) BVerwG vom 27.03.2014 – 2 C 50/11, Rn. 27, juris

(19) 2 BvL 3/15 vom 28.11.2018

(20) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 18, DÖV 2014, 934

(21) BVerwG vom 03.06.2014 – 2 B 105/12, Rn. 28

(22) Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG vom 03.06.2014 – 2 B 105.12, Rn. 42

(23) BVerwG vom 13.03.2014 – 2 B 49.12, Rn. 9

(24) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 31

(25) BGH vom 16.12.2010 – RiZ(R) 2/10, BGHZ 188, 22; BVerwG vom 21.02.2014 – 2 B 24.12, Rn. 11

(26) BVerwG vom 11.10.2006 – 1 D 10.05, Rn. 36, DÖV 2007, 665

(27) BVerwG vom 10.04.2014 – 2 B 80.13, Rn. 13, DÖD 2014, 181

(28) BVerwG vom 11.10.2006 – 1 D 10.05, Rn. 36, DÖV 2007, 665

(29) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 20, DÖV 2014, 934

(30) OVG Berlin-Brandenburg vom 26.04.2012 – OVG 6 B 5.12, Rn. 49 ff., openJur 2012, 69041

(31) BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13, Rn. 50 ff., NJW 2014, 10

(32) BVerwG vom 30.05.2013 2 C 68.11, Rn. 28 ff., BVerwGE 146, 347

(33) BVerwG vom 30.05.2013 2 C 68.11, Rn. 30 ff., BVerwGE 146, 347

(34) Bundestags-Drucksache 14/4659 S. 53, zu Art. 3 Nr. 5 

(35) VGH Baden-Württemberg vom 08.02.2007 – 4 S 45/07, Rn. 7, openJur 2012, 65684