Disziplinarverfahren

Existieren tatsächlich hinreichende Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung, hat der Disziplinarvorgesetzte zwingend ein Disziplinarverfahren einzuleiten.

 

Einleitung des Verfahrens
Im Rahmen der Einleitungsverfügung muss Ihr Disziplinarvorgesetzter Sie hinreichend bestimmt und nachvollziehbar – sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht – darüber informieren, was Ihnen vorgeworfen wird. Sie können sich sodann mündlich oder schriftlich zu den Vorwürfen äußern. Ebenso wie in einem Strafverfahren steht Ihnen allerdings auch das Recht zu, jegliche Angaben zu den Vorwürfen zu verweigern und sich an dem Disziplinarverfahren bzw. dem insoweit bestehenden Verfahren zur Feststellung Ihrer Schuld nicht zu beteiligen.

 

Besonderheiten bei der Durchführung des Verfahrens
Das Disziplinarverfahren ist sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen ähnlich strukturiert wie ein Strafverfahren. Anders als im Strafverfahren haben Sie als Betroffener bzw. Ihr Bevollmächtigter allerdings bereits im behördlichen Verfahren die Möglichkeit, an Zeugenvernehmungen teilzunehmen und die Zeugen (konfrontativ) zu befragen.

 

Grundsatz der Beschleunigung des Verfahrens
Wird das Disziplinarverfahren nicht innerhalb von 6 Monaten abgeschlossen, können Sie bei der zuständigen Disziplinarkammer beantragen, dass dem Dienstherrn eine Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens gesetzt wird, vorausgesetzt, es liegt kein sachlicher Grund für die Verzögerung vor. Wird das Disziplinarverfahren nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen, wird es per gerichtlichen Beschluss durch die Disziplinarkammer eingestellt.

 

Die 6-Monats-Frist wird gehemmt, wenn das Disziplinarverfahren auf rechtmäßige Weise ausgesetzt wird.

 

Aussetzung des Disziplinarverfahrens
Der in der Praxis häufigste Grund für die Aussetzung eines Disziplinarverfahrens ist ein parallel geführtes Strafverfahren. In einem solchen Fall ist eine Aussetzung auch dann zwingend, wenn öffentliche Anklage erhoben wurde und der in beiden Verfahren identische Sachverhalt nicht unstreitig ist. In allen anderen Konstellationen (insbesondere in Fällen, in denen lediglich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren existiert) liegt es lediglich im Ermessen des Disziplinarvorgesetzten, das Disziplinarverfahren auszusetzen – dieses Ermessen wird regelmäßig fehlerhaft ausgeübt.

 

Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen
Nach Abschluss der Ermittlungen müssen Sie als Betroffener im Rahmen eines sogenannten wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen über ihren Ausgang informiert werden und können hierzu noch einmal Stellung nehmen. Erst danach entscheidet Ihr Disziplinarvorgesetzter über die von ihm zu verhängende Maßnahme.

 

Erfordernis der Disziplinarklage bei Höchstmaßnahmen
Fordert der Disziplinarvorgesetzte Ihre Entfernung aus dem Dienst oder Ihre Degradierung bzw. Herabstufung im Amt, muss er (zumindest in Hessen und im Bundesbereich) eine entsprechende Klage bei der zuständigen Disziplinarkammer einreichen, die allein darüber entscheidet, ob eine bzw. welche dieser Maßnahmen angemessen ist.

 

Alle anderen Maßnahmen wie Kürzung der Dienstbezüge, Geldbuße und Verweis kann der Disziplinarvorgesetzte (zumindest in Hessen und im Bundesbereich) im Rahmen einer sogenannten Disziplinarverfügung eigenständig und unabhängig von einer Mitwirkung der Disziplinarkammer erlassen. Sie können hiergegen Widerspruch einlegen und müssen, falls Ihr Widerspruch abgelehnt wird, Klage bei der zuständigen Disziplinarkammer einreichen.

 

Fehlen von konkreten Tatbeständen zur Einordnung des Maßnahmenrahmens
Anders als im Strafverfahren existieren im Disziplinarverfahren keine Tatbestände, die einen ausdrücklichen Rahmen für die zu verhängende Maßnahme vorsehen. Da das Disziplinarverfahren (anders als das Strafverfahren) der Disziplinierung und damit Erziehung des Beamten bzw. der Einhaltung der Dienstpflichten durch ihn dient, richtet sich die Maßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und der Frage, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in seine geordnete Diensterfüllung geschädigt hat.

 

Strategische Grundüberlegungen
Ebenso wie in Strafverfahren ist es auch bei Disziplinarverfahren essenziell, dass Sie Ihre Einlassungen erst nach Akteneinsicht und eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage durch einen bevollmächtigten Anwalt abgeben. Auch wenn es oft verführerisch ist, etwaigen Hinweisen der Disziplinarvorgesetzten zu folgen, dass das Verfahren infolge der Aufklärung der Vorwürfe kurzfristig eingestellt wird, ist dringend davon abzuraten, im Sinne eines Schnellschusses Erklärungen abzugeben, deren tatsächliche und rechtliche Reichweite der Einzelne (insbesondere ohne zuvor erfolgte Akteneinsicht) in der Regel nicht absehen kann. Es gehört nicht umsonst zu den sich unmittelbar aus der Menschenwürde ergebenden Ansprüchen eines von Vorwürfen Betroffenen, das zunächst von seiner Unschuld auszugehen ist, er sich nicht an einem Verfahren über die Feststellung der Schuld beteiligen muss und ihm alle auch nur theoretisch relevanten Informationen über den ihm vorgeworfenen Sachverhalt zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch wenn diese Anforderungen auf den ersten Blick oft als eine unnötige Förmelei erscheinen mögen, kommt ihnen in der Praxis eine wesentliche und nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

 

Verhalten des Beamten vor Einleitung eines Disziplinarverfahrens
Damit Sie sich die Möglichkeit erhalten, vor der Abgabe von Erklärungen zu disziplinarrechtlichen Vorwürfen Akteneinsicht zu nehmen, ist es stets ratsam, keinerlei Erklärung abzugeben und unverzüglich einen Rechtsbeistand einzuschalten oder sich zumindest auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen – und zwar unabhängig davon, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird bzw. möglichst noch davor.