Beamtenrechtliche Konkurrentenklage

Unterliegen Sie in einem Stellenbesetzungsverfahren können Sie die Auswahlentscheidung in einem sog. Konkurrentenstreitverfahren daraufhin gerichtlich überprüfen lassen, ob sie dem Grundsatz der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG entspricht. Die gerichtliche Überprüfung muss in der Regel vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren erfolgen, damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden.


Konkurrenzsituation bei der Ämtervergabe
Ämter im öffentlichen Dienst sind bei Einstellung und Beförderung nach Art. 32 Abs. 2 GG im Wege der Bestenauslese zu vergeben. Ihr Dienstherr hat nach den Leistungskriterien des Art. 32 Abs. 2 GG in einem Auswahlverfahren unter allen Bewerbern den am besten geeigneten für das jeweilige Eingangs- oder Beförderungsamt auszuwählen. Der Leistungsvergleich muss anhand aussagekräftiger, das heißt aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden.(1)

 

Hat sich Ihr Dienstherr für einen Bewerber entschieden, wird er das vakante Amt möglichst schnell mit der ausgewählten Person besetzen wollen. Sind Sie als abgelehnter Bewerber mit der Auswahlentscheidung nicht einverstanden, ist in Ihrem Interesse, dies zu verhindern, damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Denn nach dem Grundsatz der Ämterstabilität kann eine einmal vorgenommene Ernennung grundsätzlich nicht mehr durch Rechtsbehelfe abgelehnter Bewerber rückgängig gemacht werden. Gleichzeitig werden Sie im Falle einer Ablehnung Ihrer Bewerbung erreichen wollen, dass anstelle der ausgewählten Person Ihnen das Amt übertragen wird.

 

Bewerbungsverfahrensanspruch
Ihrem Dienstherrn kommt bei der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ein Beurteilungsspielraum zu. Nach ständiger Rechtsprechung steht Ihnen als Bewerber um ein Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich kein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung zu, sondern Sie haben ein grundrechtgleiches Recht auf Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Als Bewerber haben Sie Anspruch darauf, dass Ihre Bewerbung nur aus Gründen abgelehnt wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind.(2) Die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob Ihr Bewerbungsverfahrensanspruch wegen rechtsfehlerhafter Auswahl verletzt wurde und ob Ihre Bewerbung bei leistungsgerechter Bewertung Aussicht auf Erfolg hat. Wurde Ihre Bewerbung abgelehnt, können Sie daher in der Regel nur verlangen, dass über Ihre Bewerbung erneut rechtsfehlerfrei entschieden wird. Nur in seltenen Ausnahmefällen, in denen der Beurteilungsspielraum Ihres Dienstherrn auf null reduziert ist, weil ein anderer Bewerber eindeutig am besten geeignet ist, erstarkt der Bewerbungsverfahrensanspruch zu einem Anspruch auf Vergabe des Amts.(3) 

 

Vorgezogener Rechtsschutz im Verfahren der einstweiligen Anordnung
Wurde Ihre Bewerbung abgelehnt, müssen Sie Ihren Bewerbungsverfahrensanspruch noch vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers geltend machen können. Das erfordert das Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Dazu hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen Auswahlentscheidung und Ernennung legt. Im Falle Ihrer Ablehnung müssen Sie zur Durchsetzung Ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs daher beim zuständigen Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO beantragen, durch die Ihrem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. In diesem Rahmen überprüft das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung Ihres Dienstherrn. Wird dabei eine Verletzung Ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs festgestellt und erscheint Ihre Auswahl bei rechtsfehlerfreier Auswahl jedenfalls möglich, muss die Ernennung bereits durch einstweilige Anordnung versagt werden.(4) 


Das einstweilige Anordnungsverfahren übernimmt damit die Funktion eines Hauptsacheverfahrens. Um den nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlichen Rechtsschutz sicherzustellen, darf das einstweilige Anordnungsverfahren nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter dem Hauptsacheverfahren zurückstehen: Das Gericht darf sich nicht auf eine summarische Prüfung beschränken. Wie im Hauptsacheverfahren muss der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und alle relevanten Rechtsfragen müssen abschließend geklärt werden. Gegen Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts können Sie das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG anrufen. Dem Bundesverfassungsgericht kommt dabei faktisch die Funktion einer dritten Instanz zu. Das Bundesverwaltungsgericht wird mit Konkurrentenstreitverfahren hingegen vor allem im Rahmen seiner erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit für Klagen aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes befasst (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO).

 

Verfahren bei Vergabe mehrerer Ämter in einem Auswahlverfahren (Beförderungsaktion)
Wird in einer Beförderungsaktion die Vergabe mehrerer Ämter in einem Auswahlverfahren zusammengefasst, so können Sie im Falle Ihrer Ablehnung mehrere oder alle Auswahlentscheidungen angreifen. Aufgrund Ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs haben Sie Anspruch darauf, dass über jede einzelne Beförderung rechtsfehlerfrei entschieden wird.(5) Ihr Dienstherr ist nach Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich verpflichtet, vorläufig alle Beförderungen zu unterlassen, auf die sich Ihr Rechtsschutzantrag erstreckt. Anderes kann nur gelten, wenn sich Ihr auf vorläufige Unterlassung der Beförderung einer Mehr- oder Vielzahl von Mitbewerbern gerichteter Rechtsschutzantrag als rechtsmissbräuchlich herausstellt.


Sie können eine erneute Entscheidung über Ihre Bewerbung aber nur beanspruchen, wenn Ihre Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl zumindest offen sind, das heißt, Ihre Auswahl möglich erscheint.(6) Das ist jedoch dann nicht der Fall, wenn es ausgeschlossen scheint, dass Sie auch bei fehlerfreier Neubeurteilung ebenso gut beurteilt werden wie der ausgewählte Bewerber und diesem bei einer erneuten Auswahlentscheidung vorgezogen würden. Bei einer Beförderungsaktion kann der Anordnungsanspruch daher gegenüber einigen Mitbewerbern damit begründet, gegenüber anderen aber unbegründet sein.(7)

 

Eilrechtsschutz in sog. Vorwirkungsfällen (sog. Ausblendungs-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts)
Rechtsschutz im vorläufigen Anordnungsverfahren wird nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann gewährt, wenn unmittelbar nach Abschluss des Auswahlverfahrens die Beförderung (Ernennung) des ausgewählten Bewerbers vorgesehen ist, sondern auch in sog. Vorwirkungsfällen.(8) Das sind Fälle, in denen dem ausgewählten Bewerber zunächst nur der Beförderungsdienstposten übertragen und die Beförderung (Ernennung) erst nach einer erfolgreich absolvierten Probezeit oder zu einem noch nicht absehbaren späteren Termin vorgenommen werden soll. Mit der Übertragung des Beförderungsdienstpostens erlangt der erfolgreiche Bewerber gegenüber abgelehnten Bewerbern einen sog. Bewährungsvorsprung, der eine Vorverlagerung des Eilrechtsschutzes rechtfertigt. Bei einem größeren zeitlichen Abstand zwischen Bewerberauswahl und Übertragung des Beförderungsamts (Ernennung) kann jedoch ein weiterer der Beförderung zeitlich näher gelegener Leistungsvergleich erforderlich werden.(9) 


Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Ihr Dienstherr jedoch im Vorwirkungsfalle unter eingeschränkten Voraussetzungen befugt, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung einen ausgeschriebenen höherwertigen Dienstposten vorläufig mit einem der Bewerber zu besetzen. Dies gilt für den Fall, dass der Dienstherr einen Bewährungsvorsprung des Bewerbers, dem das höherwertige Amt vorläufig übertragen wurde, in einem eventuell notwendig werdenden weiteren Auswahlverfahren ausblenden kann.(10) In diesen Fällen steht Ihnen als abgelehntem Bewerber wegen Fehlen eines Anordnungsgrunds kein Eilrechtsschutz zu. Gegen die Auswahlentscheidung können Sie Widerspruch und Klage erheben. Wenn sich die Auswahlentscheidung im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erweist, muss Ihr Dienstherr seine Auswahlentscheidung nachträglich korrigieren.

 

In seinem Beschluss vom 12. Dezember 2017(11) hat das Bundesverwaltungsgericht seine sog. Ausblendungs-Rechtsprechung gegenüber seinen beiden vorangegangenen Entscheidungen modifiziert und konkretisiert.(12) Danach entfällt der Eilrechtsschutz durch Ausblendung des Bewährungsvorsprungs unter folgenden Voraussetzungen:

 

  • Der übertragene höherwertige Dienstposten muss einen Rückschluss auf die Leistungen des Beamten in seinem bisherigen Statusamt zulassen, das heißt, die Aufgaben des übertragenen höherwertigen Dienstpostens müssen weitgehend identisch mit dem bisherigen Statusamt des Beamten sein, mit dem Unterschied, dass auf dem übertragenen höherwertigen Dienstposten zusätzliche Aufgaben hinzukommen, zum Beispiel Führungs- oder Leitungsaufgaben. Nur unter dieser Voraussetzung können die dienstlichen Leistungen des Beamten in einem weiteren Auswahlverfahren erneut beurteilt werden, unter Ausblenden der Leistungen im Bereich der zusätzlichen Aufgaben des übertragenen höherwertigen Dienstpostens.
  • Die Wahrnehmung der Aufgaben des höherwertigen Dienstpostens ist mit keiner Erprobung (§ 21 Abs. 1 Satz 2 HBG bzw. § 22 Abs. 2 BBG) verbunden, zum Beispiel weil die Bewerber bereits erprobt sind.
  • Ihr Dienstherr muss die Option des Ausblendens des Bewährungsvorsprungs von sich aus in Anspruch nehmen, indem er den unterlegenen Bewerbern zusagt, einen eventuellen Bewährungs- oder Erfahrungsvorsprung des ausgewählten Bewerbers in einem weiteren Auswahlverfahren auszublenden, sollte sich die erste Auswahlentscheidung als rechtswidrig erweisen. Die Gerichte blenden den Bewährungsvorsprung nicht von Amts wegen aus.

 

Eilrechtsschutz wird aber weiterhin gewährt, das heißt, die Ausblendungs-Rechtsprechung kommt in folgenden Fällen der Vorwirkung nicht zum Zuge:

 

  • Durch die Vergabe des höherwertigen Dienstpostens wird die spätere Vergabe des höheren Statusamts (die Beförderung) vorweggenommen; das heißt, für die nachfolgende Beförderung findet kein weiteres Auswahlverfahren statt.
  • Die Vergabe des höherwertigen Dienstpostens würde dem ausgewählten und dem nicht ausgewählten Beamten eine laufbahnrechtlich erforderliche Erprobung (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 HBG bzw. § 22 Abs. 2 BBG) ermöglichen.
  • Der Dienstherr nimmt die Option, die Rechtsfigur des Ausblendens des Bewährungsvorsprungs nicht in Anspruch.

 

Sofern die Voraussetzungen für ein Ausblenden des Bewährungsvorsprungs vorliegen, muss sich dies auf sämtliche Mitbewerber einer weiteren Auswahlentscheidung erstrecken. Es ist aber nur dann geboten, wenn sich an der weiteren Auswahlentscheidung derjenige Mitbewerber beteiligt, der im gerichtlichen Verfahren die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Auswahlentscheidung geltend gemacht hat.(13)

 

Dokumentations-, Mitteilungs- und Wartepflichten des Dienstherrn; Akteneinsichtsrecht
Vom Verhalten Ihres Dienstherrn nach der Auswahlentscheidung hängt es ab, ob Sie als abgelehnter Bewerber einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Ihr Dienstherr muss Ihnen im Falle Ihrer Ablehnung die gerichtliche Überprüfung seiner Auswahlentscheidung vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers ermöglichen. Aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ergeben sich insoweit Mitteilungs- und Wartepflichten Ihres Dienstherrn, auf deren Erfüllung Sie Anspruch haben.(14) 

 

Ihr Dienstherr ist vor der Ernennung verpflichtet,

 

  • seine nachvollziebar begründete Auswahlentscheidung sowie die Ernennungsabsicht den abgelehnten Bewerbern mitzuteilen,
  • eine Zeit von 2 Wochen ab Zugang der Ablehnungsmitteilung zuzuwarten, damit die abgelehnten Bewerber das Verwaltungsgericht anrufen können, um die Ernennung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verhindern,
  • bei Anrufung des Verwaltungsgerichts den endgültigen Abschluss des einstweiligen Anordnungsverfahrens abzuwarten,
  • bei Ablehnung des Antrags vor dem Oberverwaltungsgericht eine angemessene Zeit mit der Ernennung zuzuwarten, um dem unterlegenen Antragsteller Gelegenheit zu geben, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

 

Diese Verpflichtungen gelten auch dann, wenn Sie als abgelehnter Bewerber Ihren einstweiligen Rechtsschutzantrag gegen mehrere vorgesehene Einstellungen oder Beförderungen richten. Ihr Dienstherr ist dann grundsätzlich verpflichtet, in allen von Ihrem Antrag erfassten Fällen zunächst mit der Ernennung zu warten.(15) 

 

Vor einer Ernennung müssen alle abgelehnten Bewerber die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes sämtlich ohne Erfolg ausgeschöpft haben. Ihr Dienstherr darf eine Ernennung erst vornehmen, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Rechtskraft abschließend abgelehnt wurde.

 

Ihr Dienstherr ist aufgrund von Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ferner verpflichtet, die seiner Auswahlentscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen im Rahmen der Auswahlentscheidung schriftlich zu fixieren.(16) Es reicht nicht aus, die Auswahlerwägungen erstmals im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren darzulegen. Durch die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen wird sichergestellt, dass die Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG eingehalten werden. Zudem werden Sie als abgelehnter Bewerber nach Mitteilung der Auswahlentscheidung durch die Dokumentation in die Lage versetzt, Akteneinsicht zu nehmen und zu entscheiden, ob es für Sie erfolgversprechend ist, gegen die Auswahlentscheidung gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen.(17) Verweigert Ihr Dienstherr Ihnen die Akteneinsicht, kann Ihr Anspruch auf Akteneinsicht grundsätzlich nicht isoliert, sondern nur im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Überprüfung der Auswahlentscheidung geltend gemacht werden.(18) 


Handlungsalternativen nach Abschluss des Anordnungsverfahrens
a) Obsiegen des abgelehnten Bewerbers
Wird Ihrem Dienstherrn durch rechtskräftige einstweilige Anordnung die Ernennung des ausgewählten Bewerbers rechtskräftig untersagt, muss er das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen. Auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens muss er eine neue Auswahlentscheidung treffen.

 

b) Obsiegen des Dienstherrn
Wird der Antrag auf einstweilige Anordnung rechtskräftig abgelehnt, darf Ihr Dienstherr den ausgewählten Bewerber ernennen. Ihr Bewerbungsverfahrensanspruch geht damit unter. Ein Hauptsacheverfahren findet wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt. Der Ernennung kommt Ämterstabilität zu. Als unterlegener Antragsteller können Sie nur noch Schadensersatz geltend machen, wenn Sie die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung für fehlerhaft halten.

 

Abbruch des Auswahlverfahrens
Ihr Dienstherr kann das Auswahlverfahren jederzeit abbrechen, wenn er erkennt, dass es gemessen an den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG fehlerbehaftet ist oder er das Amt so nicht mehr vergeben will, wie er es ausgeschrieben hatte. Die Gründe für den Abbruch sind schriftlich zu dokumentieren und allen Bewerbern mitzuteilen.(19) Mit dem zulässigen Abbruch des Auswahlverfahrens gehen die Bewerbungsverfahrensansprüche aller Bewerber unter.


Wirksam ist eine Entscheidung zum Abbruch eines Auswahlverfahrens nur, wenn sie rechtmäßig ist.(20) Dies ist nur dann der Fall, wenn für den Abbruch sachliche Gründe vorliegen.(21) Unsachlich sind Gründe, wenn sie nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG abgeleitet werden können, zum Beispiel, wenn Ihr Dienstherr die Gefahr sieht, dass sich ein aus leistungsfremden Erwägungen unerwünschter Bewerber durchsetzen wird, und er deshalb mit dem Abbruch des Auswahlverfahrens reagieren will.(22) 


Der rechtswidrige Abbruch eines Auswahlverfahrens verletzt Ihren Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG. Dagegen können Sie nur im Wege des Eilrechtsschutzes mit Antrag auf Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens vorgehen.(23) Ihren Antrag müssen Sie innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang der Abbruchmitteilung stellen.(24)

 

Anfechtungsmöglichkeit der Ernennung bei Rechtsschutzverhinderung
Neuerdings hat das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz der Ämterstabilität zugunsten des Rechtsschutzes eingeschränkt.(25) Dies betrifft Fälle, in denen Ihr Dienstherr seine sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Mitteilungs- und Wartepflichten nicht eingehalten und den ausgewählten Bewerber ernannt hat, obschon alle abgelehnten Bewerber den ihnen zustehenden und verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz noch nicht ausgeschöpft haben. Ihr Dienstherr kann sich in solchen Fällen der Rechtsschutzverhinderung nicht auf die Ämterstabilität berufen. Vielmehr muss der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach der Ernennung im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden. Ihr Bewerbungsverfahrensanspruch als abgelehnter Bewerber geht insoweit durch die Ernennung ausnahmsweise nicht unter. Andernfalls hätte es der Dienstherr in der Hand, die Rechtsschutzmöglichkeiten abgelehnter Bewerber durch vorzeitige Ernennungen auszuschalten.

 

Ihr Dienstherr verhindert den verfassungsrechtlich gebotenen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, wenn er

 

  • die Ernennung ohne vorherige Mitteilung an alle abgelehnten Bewerber oder vor Ablauf der Wartefrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der gesetzlichen Frist für die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht oder der Wartefrist für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts vornimmt,
  • den ausgewählten Bewerber ernennt, obwohl ihm dies durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts untersagt ist,
  • die Ernennung während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens vornimmt.

 

Nach der Ernennung des ausgewählten Bewerbers kann Ihnen im Falle Ihrer Ablehnung gerichtlicher Rechtsschutz nicht mehr im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern nur noch im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden. Eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung Ihrer Bewerbungsverfahrensansprüche besteht nicht. Im Rahmen der Anfechtung der Ernennung ist gerichtlich zu klären, ob Ihr Dienstherr den vor der Ernennung verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz verhindert hat und ob die Auswahlentscheidung gemessen an Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft war. Verstößt die Ernennung gegen Ihre Bewerbungsverfahrensansprüche aus Art. 33 Abs. 2 GG, so ist sie mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ihr Dienstherr muss dann über die Vergabe des Amts aufgrund eines erneuten Auswahlverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nochmals entscheiden. Der von der Aufhebung der Ernennung betroffene Beamte kann sich dann erneut um das Amt bewerben.

 

Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs
Ist eine Ernennung nicht anfechtbar, kann sich bei der Vergabe eines Beförderungsamts für Sie, sofern Sie im Verfahren der einstweiligen Anordnung unterliegen, ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der durch die Ernennung untergegangenen Bewerbungsverfahrensansprüche ergeben. Ein solcher ist – unabhängig von einem möglichen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB – durch Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben.

 

Ersatz des durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens kann nach der Rechtsprechung(26) unter folgenden Voraussetzungen verlangt werden:

 

• Schuldhafte Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Ihren Dienstherrn

• Hypothetische Kausalität zwischen der Rechtsverletzung (rechtswidrige Ablehnung der Beförderung) und dem Schaden (Nichtbeförderung)

• Bemühen des nichtbeförderten Beamten, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden

 

Die hypothetische Kausalität zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Beförderung und dem Schaden kann schon dann gegeben sein, wenn Ihr Erfolg bei einer Entscheidung nach leistungsorientierten Auswahlkriterien ernsthaft möglich gewesen wäre. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall nicht nur Sie, sondern mehrere unterlegene Bewerber einen Schadensersatzanspruch geltend machen können, wenn sie die ernsthafte Möglichkeit einer für sie positiven Auswahlentscheidung darlegen können.(27) 

 

 

 

(1) BVerwG vom 30.06.2011 – 2 C 19.10, Rn. 23, juris; BVerwG vom 10.05.2016 – 2 VR 2/15, Rn. 22, juris
(2) Bewerbungsverfahrensanspruch; BVerwG vom 17.08.2005 – 2 C 37.04, Rn. 18, BVerwGE 124, 99
(3) BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, Rn. 21 f., BVerwGE 138, 102
(4) BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, Rn. 31 f., BVerwGE 138, 102
(5) BVerwG vom 22.11.2012 – 2 VR 5/12, Rn. 19, BVerwGE 145, 112
(6) BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, Rn.32, juris; VG Berlin vom 30.06.2016 – 7 L 112.16, Rn. 24, juris
(7) VG Berlin vom 28.12.2017 – 28 L 614.17, Rn. 37 ff., juris
(8) BVerwG vom 20.06.2013 – 2 VR 1/13, Rn. 14 ff., BVerwGE 147, 20
(9) BVerwG vom 11.02.2009 – 2 A 7.06, Rn. 20, DÖV 2009, 503
(10) Sog. Ausblendungs-Rechtsprechung des BVerwG vom 10.05.2016 – 2 VR 2/15, Rn.29 ff., juris; BVerwG vom 21.12.2016 – 2 VR 1/16, Rn. 14, juris; BVerwG vom 12.12.2017 – 2 VR 2/16, Rn. 21 ff., juris
(11) 2 VR 2/16, Rn. 21 ff., juris
(12) Im Einzelnen vgl. dazu von der Weiden, jurisPR-BVerwG 6/2018, Anm. 6
(13) BVerwG vom 12.12.2017 – 2 VR 2/16, Rn. 24, 25, juris
(14) BVerfG vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/7, Rn. 17 ff., DÖD 2007, 279; BVerwG vom 16.12.2008 – 1 WB 19.08, Rn. 35 ff., BVerwGE 133, 13
(15) BVerwG vom 22.11.2012 – 2 VR 5/12, Rn. 20, BVerwGE 145, 112
(16) BVerfG vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07, Rn. 21 f., juris; BVerwG vom 16.12.2008 – 1 WB 19/08, Rn 35 ff., juris
(17) BVerwG vom 20.11.2012 – 1 WB 4.12, Rn. 26 ff., BVerwGE 145, 102
(18) BVerwG vom 20.11.2012 – 1 WB 4.12, Rn. 20 ff., BVerwGE 145, 102; VG Karlsruhe vom 08.12.2014 – 1 K 3388/14, Rn. 11 ff.
(19) BVerwG vom 26.01.2012 – 2 A 7.09, Rn. 29; BVerwG vom 29.11.2012 – 2 C 6.11, Rn. 19; BVerwG vom 10.05.2016 – 2 VR 2/15, Rn. 19, juris
(20) BVerfG vom 28.04.2005 – 1 BvR 2231/02, Rn. 40, juris; BVerwG vom 03.12.2014 – 2 A 3.13, Rn. 17, juris
(21) BVerwG vom 03.12.2014 – 2 A 3.13, Rn. 19, juris
(22) BVerwG vom 26.01.2012 – 2 A 7/09, Rn. 26 ff., juris, BVerwGE 141, 361
(23) BVerwG vom 10.05.2016 – 2 VR 2/15, Rn. 12, 16, juris; BVerwG vom 03.12.2014 – 2 A 3 .13, Rn. 22, juris
(24) BVerwG vom 03.12.2014 – 2 A 3.13, Rn. 24, juris
(25) BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, Rn. 29 ff., BVerwGE 138, 102
(26) BVerwG vom 26.01.2012 – 2 A 7/09, Rn. 15 ff., BVerwGE 141, 361
(27) BVerwG vom 26.01.2012 – 2 A 7/09, Rn. 45, BVerwGE 141, 361